Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Verordnung (EU) 2017/745 und die Verordnung (EU) 2017/746 (Medizinprodukte-Anpassungsgesetz-EU – MPAnpG-EU)
18.09.2019
In erster Linie dient der Gesetzentwurf der technischen Anpassung des nationalen Medizinprodukterechts an die neuen EU-Vorgaben. Artikel 1 ist Kernstück des Gesetzes: Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz –MPDG).
Darüber hinaus sollen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) künftig mehr Befugnisse bekommen. Sie können zukünftig bei Gefahr im Verzug insbesondere das Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme des Produkts auf dem nationalen Markt verbieten oder einschränken, die Bereitstellung des Produkts untersagen oder beschränken oder die Rücknahme und den Rückruf des Produkts anordnen. Erhalten bleibt die grundsätzliche Zuständigkeit der Länderbehörden bei der Anordnung notwendiger Maßnahmen.
Ferner erfährt die sog. „Medicrime“-Konvention des Europarates in Bezug auf die Fälschung von Medizinprodukten ihre Umsetzung. Durch die Konvention soll eine enge Verbindung zwischen den Vertragspartnern zur Verhütung und Bekämpfung von Arzneimittel- und Medizinproduktefälschungen und ähnlichen Straftaten geschaffen werden.
Zu Artikel 1 RefE MPAnpG-EU: § 5 Abs. 5 MDG
Die vorgesehene Regelung des § 5 Abs. 5 MDG geht auf die besonderen Dokumentationspflichten von natürlichen oder juristischen Personen, die serienmäßig hergestellte Produkte an die in einer schriftlichen Verordnung festgelegten spezifischen Charakteristikaund Bedürfnisse eines individuellen Patienten anpasst (Anpasser) ein.
Dies betrifft die zahntechnischen Meisterlaborezunächst einmal nicht direkt, da sie „den privilegierten Status als Sonderanfertiger beibehalten können, auch wenn sie moderne (industrielle) Herstellungsverfahren (CAD/CAM, 3D-Druck) nutzen“,wie Herr Dr. Thomas Gebhart, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, unter Bezugnahme auf die Beschlusslage der Medizinprodukte-Koordinierungsgruppe(MDCG),in seinem Antwortschreiben vom 09.08.2019 an den VDZI zutreffend ausführte.
In besagtem Schreiben führte Herr Dr. Gebhart ebenfalls unter Bezugnahme auf die Beschlusslage der Medizinprodukte Koordinierungsgruppe (MDCG) folgendes aus:
„Es konnte insbesondere eine Einigung in Bezug auf den Status von Produkten, die bisher nur in Deutschland als Zwischenprodukte mit einerCE Kennzeichnung versehen werden durften, erzielt werden. Über eine EU-weit einheitliche Interpretation der Definition „Medizinprodukt“können Hersteller von Produkten, die speziell für die Herstellung von Sonderanfertigungen vorgesehen sind, diese als Medizinprodukte in Verkehr bringen.“
In der Begründung zu § 5 Absatz 5MDGfindet sich jedoch folgende Passage:
Nach § 6 Absatz 2 des Medizinproduktegesetzes konnten sogenannte Zwischenprodukte, die vom Hersteller spezifisch als Bestandteil einer Sonderanfertigung bestimmt waren, mit dem CE Kennzeichen versehen werden. Diese auf einem europäischen Leitfaden (MEDDEV2.1/1 1994) basierende nationale Regelung kann unter der Verordnung (EU) 2017/745 nicht mehr aufrechterhalten bleiben. Dies hat zur Folge, dass einige Tätigkeiten, bei denen auf der Basis einer qualifizierten schriftlichen Verordnung durch eine nach nationalem Recht befugte Person, individualisierte Medizinprodukte für einen einzelnen Patienten angefertigt werden, in Deutschland nicht mehr als Sonderanfertigung im Sinne der Definition des Artikels 2 Nummer 3 der Verordnung (EU) 2017/745 angesehen werden können. Dies gilt insbesondere für die Anpassung von serienmäßig hergestellten Medizinprodukten an die in der schriftlichen Verordnung anzugebenden individuellen Patientenmerkmale CE-Kennzeichen bei Vorprodukten für Sonderanfertigungen.“
Hier bedarf es, entsprechend den Ausführungen von Herrn Dr. Gebhart, einer Präzisierung der Begründung, dahingehend, dass Hersteller von Zwischenprodukten, die speziell für die Herstellung von Sonderanfertigungen vorgesehen sind, diese weiterhin als Medizinprodukte in Verkehr bringen und mit einer CE-Kennzeichnung versehen dürfen.
Andernfalls besteht die begründete Gefahr, dass diesdurch eine Fehlinterpretation der Rechtslage für unzulässig gehalten wird und Tausende der kleinbetrieblichen Hersteller von Sonderanfertigungen ersatzweise die hohen Prüf-und Dokumentationsaufwendungen erfüllen müssen, die heute die Hersteller der Vorprodukte erfüllen müssen. Dies gilt im Übrigen auch für die Hersteller der Vorprodukte, die ohne CE-Kennzeichnung mit erheblichen Handelshemmnissen im europäischen und internationalen Bereich konfrontiert würden. Hieraus würde auch eine Einschränkung der Produktvielfalt resultieren, die im Ergebnis zu Lasten der Patientenversorgung ginge. Das wäre ein völlig ineffizientes und ineffektives Verfahren mit astronomischen Kosten für die Kleinstbetriebe, was nicht gewollt sein kann.
Zu Artikel 1 RefE MPAnpG-EU : § 8Abs. 3MDG
„Sonderanfertigungen dürfen nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn sie die relevanten grundlegenden Sicherheits-und Leistungsanforderungen des Anhangs I der Verordnung (EU) 2017/745 erfüllen und die entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahrengemäß Artikel 52 Absatz 8 und Anhang XIII der Verordnung (EU) 2017/745 durchgeführtwurden."
1.Gleichrangigkeit der Schutzziele beachten - praxisnahe Auslegung ermöglichen
Sonderanfertigungen sind nach Artikel 21 MDR Medizinprodukte für besondere Zwecke. Sie sind im Markt ohne weitere Hindernisse zuzulassen, wenn sie Anhang XIII und Anhang I erfüllen.
Eine auf europäischer Ebene erkennbar extensive Auslegung der MDR, auch auf Sonderanfertigungen, geht unseres Erachtens deutlich über die klare Regelung des Artikel 21 hinaus.
Es wird der Besonderheiten der zahntechnischen Sonderanfertigungen nicht gerecht, wenn für die Sonderanfertiger die Anforderungen an eine „klinische" Bewertung und eine „klinische" Nachbeobachtung gestellt werden. Dies können die deutschen Betriebe schon berufsrechtlich – mangels Patientenkontakt – nicht leisten oder aber es werden lediglich inhaltslose Bürokratieordner geschaffen.
Zahntechnische Hersteller von Sonderanfertigungen fertigen im Auftrag des Verordners, bei dem, aufgrund der vorangegangenen Diagnostik und Therapieplanung, bereits zum Zeitpunkt der Verordnung die „klinische“ Bewertung der Sonderanfertigung vorhanden sein muss.
Insofern erscheint die Anforderung einer klinischen Bewertung bei Sonderanfertigungen und eine klinische Nachbeobachtung durch den Hersteller von Sonderanfertigungen weder objektiv leistbar noch sachgerecht.
Hier sollte eine pragmatische Lösung gefunden werden.
Wir bitten, für die zahntechnischen Sonderanfertigungen an geeigneter Stelle klarzustellen, dass der Hersteller von zahntechnischen Sonderanfertigungen, die an den Verordner Zahnarzt für seine Behandlung und nicht an den Patienten geliefert werden, davon ausgehen kann, dass die „Klinik“ der Bewertung und die „Klinik“ der Nachbeobachtung bereits durch den Verordner der Sonderanfertigung erfolgt.
2.Klarstellung zum Status von dentalen Sonderanfertigungen aus Dentallaboren
Durch die MDR wurde die Definition für implantierbare Medizinprodukte nachArtikel 2 Nr. 5 MDR geändert."
Als implantierbares Produkt gilt auch jedes Produkt, das dazu bestimmt ist, durch einen klinischen Eingriff teilweise in den menschlichen Körpereingeführt zu werden und nach dem Eingriff mindestens 30 Tage dort zuverbleiben."
Der VDZI bittet um die Klarstellung, dass hiervon nicht die dentalen Medizinprodukte in der Form von Sonderanfertigungen aus Dentallaboren, wie Zahnersatz; KFO-Produkte, Schienenetc., nicht unter diese Definition fallen, da es sich beim Einsetzen in der Zahnarztpraxis nicht um einen klinischen Eingriff handelt.
3.Staatliche Zulassungsverfahren als Umsetzungsinstrumente von MDR-Anforderungen anerkennen
In Deutschland gibt es ordnungsrechtliche Instrumente zur Gefahrenabwehr. Dies gilt insbesondere für die gefahrengeneigten Gesundheitshandwerke als Hersteller von Sonderanfertigungen.
Die MDR basiert, weitgehend wohl aus Mangel an vergleichbar effektiven ordnungsrechtlichen Instrumenten in den meisten europäischen Ländern, auf umfangreichen Dokumentations- und Nachweisplichten mit hohem Bürokratiegehalt.
Im Rahmen der Umsetzungsauslegungen der MDR in Deutschland sollten diese bewährten ordnungsrechtlichen Instrumente der Gefahrenabwehr, etwa die Schutzinstrumente des Handwerksrechts, aber auch aus dem Sozialrecht genutzt werden. Sie sollten als funktional äquivalent zu den Dokumentationspflichten der MDR und damit als Nachweis der Erfüllung von Anforderungen aus der MDR Verwendung finden können.
Wir bitten, sich dafür einzusetzen, dass die handwerksrechtliche Meisterpflicht, die in Deutschland als Instrument der präventiven Gefahrenabwehr verfassungsrechtlich gesichert ist, auch in zielführender Weise bei der Bewertung der angemessenen Umsetzung der Anforderungen der MDR beachtet wird. Dies gilt etwa bei der Auslegung der Anforderungen an ein Risikomanagementsystem nach Anhang I der MDR.
Das Meisterprinzip, d.h. die Verpflichtung zur ständigen Meisterpräsenz im Betrieb, dient der Anleitung, Aufsicht und permanenter Interventionsfähigkeit zur Fehlervermeidung in der Produktion. Es ist damit ein zentrales ordnungsrechtliches Instrument der Gefahrenabwehr, mithin als maßgebliches Element eines Risikomanagements. Die formalistischen Vorgaben der MDR zum Risikomanagement, passen einerseits überhaupt nicht auf die Besonderheiten bei Sonderanfertigungen und sind andererseits gegenüber der Meisterpräsenz in ihrer faktischen Wirkung ineffizient und ein verzichtbarer Bürokratieaufwand. Da die Verordnung gilt, bedarf es hierzu klarer gesetzlicher Hinweise an die für die Prüfungen zuständigen Landesbehörden.
4.Übersetzungsfehler korrigieren -Qualitätsmanagementsystem nach Artikel 10 Absatz 9 gilt nicht für Sonderanfertigen.
Artikel 10 der MDR benennt die „Pflichten der Hersteller“. Aus der deutschen Fassung des Artikels 10 Absatz 9 wird abgeleitet, dass die Pflicht zu den dort aufgeführten Qualitätsmanagementsystemanforderungen auch die Hersteller von Sonderanfertigungen umfasse.
Der VDZI hält dies für eine fehlerhafte, weil sinnverfälschende Übersetzung der englischen Fassung des Artikel 10 Abs. 9. Das Festhalten an dieser Fehlübersetzung widerspricht dem englischen Text des Artikels, der englischen Fassung der Ziffer 32 der „in Erwägung nachstehender Gründe“ und sogar der deutschen Fassung der Ziffer 32.
Sie führt zu einer ineffektiven Bürokratisierung in zahntechnischen Betrieben, die bereits schon mit der staatlichen Meisterpflicht als qualifikationsgebundenes Zulassungsverfahren zur Berufsausübung einen hochwirksamen Nachweis und ein sehr effizientes präventives Instrument zum Patientenschutz und Gefahrenabwehr erfüllt haben.
Dabei geht es dem VDZI nicht darum, ein Qualitätsmanagement zu verhindern. Jeder Unternehmer richtet seit jeher seine branchenspezifischen Managementinstrumente stets danach aus, die jeweiligen Kundenanforderungen zu erfüllen, sichere Produkte herzustellen, Fehler zu vermeiden und die Qualität der Produkte zu sichern.
Es geht vielmehr darum, den Übersetzungsfehler deshalb zu bereinigen, um zu verhindern, was sich bereits jetzt schon abzeichnet. Dass das Heer von Unternehmensberatern und Zertifizierungsfirmen sich diesen Übersetzungsfehler zunutze macht, um den Kleinbetrieben mit Drohkulissen ein kosten- und zeitintensives Qualitätsmanagementsystem überzustülpen, mit dem sie jedes Jahr erneut Geld verdienen können, ohne dass es bei Sonderanfertigungen einen Patientennutzen stiftet.
Wir bitten deshalb eindringlich darum, diesen deutschen Übersetzungsfehler in Artikel 10 Absatz 9 der MDR, gemäß der englischen Fassung und der englischen und deutschen Fassung der „Gründe“ zu korrigieren.
5.Vorschlag eines Qualitäts-und Transparenzregisters für Zahnersatz-Anbieter
Die Herstellung zahntechnischer Leistungen ist wegen ihrer besonderen Gefahrenneigung dem qualifikationsgebundenen Zulassungsverfahren gemäß der Handwerksordnung unterworfen. Ebenso gilt die strikte Meisterpräsenz, um insbesondere während des Herstellungsprozesses mögliche Risiken und Gefahren für den Patienten wegen mängelbehafteten Zahnersatzes zu vermeiden.
Die europäisch geprägte MDR muss hier - da in den meisten europäischen Ländern vergleichbare Ordnungsstrukturen zur Gefahrenabwehr nicht vorhanden sind - mit bürokratisch-formalistischen Dokumentationsanforderungen operieren.
Dabei ist und bleibt es für den deutschen Markt unbefriedigend, dass nur für den Anbieterkreis der zahntechnischen gewerblichen Meisterbetriebe ein vollständiges Anbieterverzeichnis (Handwerksrolleneintragung) vorliegt und daher einer rechtlichen Kontrolle zugänglich ist.
Es besteht weder Transparenz für Anbieter/Händler aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland, noch für sonstige Anbieter von Zahnersatz, wie etwa über die einer Praxis angegliederten Eigenlabore, die im Rechtsrahmen des freien Berufes agieren oder der intransparenten Z-MVZ, die als IHK eingetragene Betriebe, den etwaigen Kontrollen auf Einhaltung berufsrechtlicher Vorschriften durch Zahnärztekammern kaum noch zugänglich sind.
Vor dem Hintergrund des allgemeinen und gleichen Schutzinteresses wäre es daher sinnvoll, dass auch für die übrigen Anbieter von zahntechnischen Leistungen in Deutschland ein Qualitäts-und Transparenzregister geschaffen wird. Zukünftig könnten damit die Zahnärztekammern, für Zahnärzte mit Praxislabor im Abgleich mit den Handwerkskammern die Grauzonen der Einhaltung der berufsrechtlichen Grenzen für die Herstellung zahntechnischer Leistungen klären und sichern.
Die Stellungnahme des VDZI zum MPAnpG-EU finden Sie hier zum Download.